Abb 12.1 Motorradunfall mit Berstungsbruch des 1. Lendenwirbelkörpers und ca. 30° Knickbildung
Abb 12.2 Korrektur und Stabilisation mit Wirbelkörperersatzimplantat und Kochenzement
Die meisten frischen, traumatischen Wirbelkörperfrakturen nach Unfällen sind ohne neurologische Begleitverletzung. So denn sie ausreichend stabil sind, kann die Verletzung konservativ, d.h. ohne eine Operation, behandelt werden. Die nicht-operative Wirbelbruchbehandlung beinhaltet eine angepasste Schmerzmittelgabe, vorübergehende körperliche Schonung und Ruhigstellung der Fraktur mit Korsett bzw. einem Gipsmieder. Frühzeitig wird eine begleitende physiotherapeutische Behandlung empfohlen. Der verletzte Wirbelkörper heilt dann in aller Regel nach 2-3 Monaten folgenlos mit guten Ergebnissen aus.
Operationen sind immer dann notwendig, wenn akute Wirbelkörperbrüche oder Luxationenfrakturen der Brust- und Lendenwirbelsäule instabil sind oder mit neurologischen Begleitverletzungen einhergehen. Häufig werden kombinierte knöcherne Verletzungen eines oder mehrerer Wirbelkörper (Wirbelfrakturen), Verrenkungen von Wirbelgelenken (Luxationen) und diskoligamentäre Verletzungen (Zerreißung von Bandscheiben und Bändern) beobachtet. Meistens findet sich dann auch eine starke Fehlstellung mit einer Instabilität. Es kommt jetzt darauf an, die normale Form und Funktion der Wirbelsäule bestmöglich wiederherzustellen. Eine sofortige Belastungstabilität der Wirbelsäule ist eine Voraussetzung für gute Heilungsergebnisse und hilft Folgeschäden langfristig zu vermeiden.
Im ersten Beispiel geht es um einen 50-jährigen Motorradfahrer. Er ist mit seinem Motorrad bei hoher Geschwindigkeit während seines Urlaubs im Ausland gestürzt und hat sich dabei schwer verletzt. Nach der Erstversorgung am Unfallort und Abtransport ins nächste Unfallkrankenhaus steht schnell fest, dass seine Schmerzen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule auf einen Berstungsbruch des ersten Lendenwirbels (Abb. 12.1) zurückzuführen sind. Ein offener Bruch am rechten Unterschenkel und am Oberarm müssen noch am gleichen Tag notfallmäßig operiert werden. Die Wirbelsäule wird mit einem Gipsmieder vorübergehend ruhiggestellt und von außen stabilisiert.
Nach einigen Tagen wird der Heimtransport mit einem Ambulanzflugzeug ins Krankenhaus seiner Wahl zur Weiterbehandlung des Wirbelbruchs veranlasst.
Die keilförmige Fehlstellung des 1. Lendenwirbelkörpers hat trotz des Gipsmieders zugenommen, so dass eine Operation geplant wird. Eine Knochendichtemessung ergibt, dass die Knochenqualität des Mannes deutlich herabgesetzt ist und deshalb mit Knochenzement zur Verstärkung gearbeitet werden muss.
Die Wirbelfraktur wird mit einem Wirbelkörperersatzimplantat behandelt. Das Implantat gewährleistet ausreichend Stabilität, so dass auf eine Fortsetzung der Gipsmiederbehandlung verzichtet werden kann (Abb. 12.2). Das Risiko eines Einbrechens oder einer ungewollten Schraubenlockerung wird durch eine Verstärkung der Konstruktion mit Knochenzement minimiert. Die unfallbedingte Fehlstellung ist korrigiert. Es werden kleine gewebeschonende Hautschnitte am Rücken (perkutane) und seitliche am Brustkorb (Thorakoskopie) verwendet, so dass die Nachbehandlung leichter fällt und der Patient einen geringeren Schmerzmittelbedarf hat.
Abb. 12.3 Inkompletter kranialer LWK1 Berstungsbruch mit Fehlstellung nach Sturz vom Dach
Abb. 12.4 OP zur Korrektur mit kurzstreckiger Verschraubung (BWK12-LWK1)
Abb. 12.5 Ersatz der defekten Bandscheibe durch Knochentransplantation (grüner Pfeil)
Abb. 12.6 Stabiles Ausheilungsergebnis nach Schraubenentfernung 1 Jahr nach dem Unfall
Im zweiten Beispiel geht es um einen 35-jährigen Familienvater. Er ist bei Dachdeckerarbeiten aus der Höhe gestürzt und hat sich die Fraktur des 1. Lendenwirbelkörpers zugezogen (Abb 12.3). Der Wirbelbruch hat keine neurologischen Probleme verursacht. Eine Behandlung im Gipskorsett für insgesamt 3 Monate lehnt der Patient ab, da er sich derart lange Fehlzeiten beruflich wie privat nicht leisten kann. Als Alleinverdiener und Vater von zwei kleinen Kindern kommt diese Behandlung für ihn deshalb nicht in Frage. Eine möglichst kurze Behandlungsdauer und schnelle Rehabilitation sind ihm sehr wichtig.
Die alternative ist eine Wirbelsäulenoperation zur Korrektur der Fehlstellung und Stabilisation. Da der Patient ansonsten gesund ist und keine weiteren Gründe gegen eine Operation vorliegen, wird der Eingriff für den kommenden Tag geplant. Knochenfragmente, die den Spinalkanal einengen, werden bei der Behandlung nebst der defekten Bandscheibe über einen einzigen hinteren Zugang entfernen (Abb 12.4 und Abb 12.5). Die Fehlstellung und Knickbildung wird mit 4 Schrauben korrigiert und in Position gehalten. Der verletzte Wirbelkörper (LWK1) ist in der unteren Hälfte intakt, so dass die Schrauben einen guten Halt im intakten Knochen finden.
Die Vorteile des Verfahrens liegen darin, dass nur ein Zugang mit sehr kurzer Instrumentationsstrecke (monosegmentale Spondylodese BWK12-LWK1) notwendig ist.
Die Nachbehandlung beginnt am ersten Tag nach der Operation. Der Patient steht auf und bekommt eine physiotherapeutsiche Behandlung. 1 Jahr später, nachdem in den Röntgenkontrollen eine vollständige Knochenheilung nachgewiesen ist, werden die Implantate wieder entfernt (Abb. 12.6).