Thorakale Bandscheibenvorfälle und Myelopathie

Hintergrund

Thorakale Bandscheibenvorfälle sind selten (0,15%-4% aller Bandscheibenvorfälle). Degenerative Bandscheibenherniationen im Bereich der Brustwirbelsäule (Th1-12) werden vermehrt im unteren Drittel und am häufigsten im Segment Th11-12 beobachtet.

Häufige Beschwerden sind mechanische Rückenschmerzen, gürtelförmige Schmerzen mit Missempfindungen im Brustkorb (Radikulopathie) und/oder neurologische Ausfälle der Beine, die als Folge einer Druckschädigung des Rückenmarks (Myelopathie) auftreten können.

Situation

Der 33-jährige Patient hat immer wieder belastungsabhänigige Rückenschmerzen in der Brustwirbelsäule. Seit drei Monaten sind deutlich Probleme beim Gehen (Ataxie) dazu gekommen. Stand und Gang des Mannes sind unsicher geworden. Er muss sich breitbeinig hinstellen, um nicht zu stürzen.  Seine Freunde sind der Meinung, dass er beim Gehen sogar etwas "torkeln" würde, so als ob er etwas getrunken hätte.

Diese Symptome und eine zunehmende Schwäche beider Beine beunruhigen ihn sehr. Er sucht seinen Hausarzt auf, der ihm ein MRT der Brustwirbelsäule empfiehlt. Zuvor wurde ausgeschlossen, dass etwas mit seinem Herzen, der Lunge oder den Bauchorganen nicht in Ordnung ist.  Der Wirbelsäulenchirurg stellt bei der körperlichen Untersuchung weitere Auffälligkeiten fest.  Der junge Mann hat pathologische Reflexe (Hyperreflexie, Clonus) und eine Muskelschwäche (Parese) beider Beine.

Problem

Das MRT der Brustwirbelsäule zeigt den Befund deutlich: Ein großer, thorakaler Bandscheibenvorfall in Höhe T11-12 bedrängt das Rückenmark und macht Probleme (Abb. 1.1. und 1.2).

Lösung

Viele Menschen haben thorakale Bandscheibenvorfälle, die keine Beschwerden verursachen.  Auch Rückenschmerzen oder ein taubes Gefühl im Brustkorb (radikuläre Beschwerden) ohne neurologische Defizite in den Beinen können in der Regel medikamentös oder durch andere nicht-operative Maßnahmen gut behandelt werden.

Hier ist es anders. Die Grund für eine OP sind zunehmende neurologische Ausfälle und der dazu passende, im MRT nachgewiesene große Bandscheibenvorfall. Maßgeblich für die exakte Vorgehensweise und OP-Technik sind drei Dinge:  1) die Symptome des Patienten, 2) die Beschaffenheit des Vorfalls (hart oder weich) und 3) die Lage des Vorfalls im Spinalkanal. Für den jungen Mann wird ein kombinierter Zugang (dorsoventrale Dekompression) vom Rücken (hinten) und über den Brustkorb (vorne) gewählt.

Die postoperative Kontrolle zeigt, dass der Bandscheibenvorfall und Teile der defekten Bandscheibe vollständig aus dem Wirbelkanal entfernt wurden und jetzt keinen Druck auf das Rückenmark ausüben können (Abb. 2). Das Nervengewebe kann sich erholen und die Beschwerden sind nach wenigen Wochen rückläufig.